Gespannt und mit gemischten Gefühlen warten die Schüler der 10. Klassen in der Aula. Nachdem sie noch vor den Sommerferien im KZ-Buchenwald gewesen sind, erfahren sie jetzt die Geschichten aus erster Hand. Im Rahmen einer Vortragsreihe des Maximilian-Kolbe-Werkes weilen Zeugen des Holocaust am 5. September in Ergänzung des Geschichtsunterrichts auch am CWG.
Was wird die Schüler erwarten? Was wird ihnen erzählt? Was fühlen die Zeugen des Holocaust?
Die Anspannung ist groß. Vier ältere Personen kommen durch die Tür in die Aula. Es herrscht sofort Stille. Keiner getraut sich, etwas zu sagen oder ein Geräusch von sich zu geben. Zwei von ihnen haben all das erlebt, was die Schüler nur erahnen können. Sie haben es als kleine Kinder, noch jünger als wir es sind, durchgemacht. Den Völkermord! Das größte Verbrechen der deutschen Geschichte.
Die Schüler werden in zwei kleinere Gruppen geteilt. In einer wird Janusz Garlicki u.a. über Erlebnisse im KZ Buchenwld erzählen. In der anderen bleibt eine Frau mit freundlichem Gesicht. Sie hat die Haare hochgesteckt, trägt ein blaues Rollkragen-T-Shirt und eine weite Jeans. Die Schüler setzen sich näher heran. Sie stellt sich mit einem ausländischen Akzent als Henrietta Kretz vor. (Fotos bi.gazeta + lr-online) 1934 geboren, erlebte die Jüdin schon als Kind die Anfänge des Faschismus mit.
Als sie anfängt zu erzählen, ist sie etwas aufgeregt. Doch ist zu bemerken, dass sie ihre Geschichte schon tausendmal vorgetragen hat. Sie erzählt davon, wie alles seinen Anfang nahm, sie erst fünf Jahre alt war und wie sich der Nationalismus und Rassismus über ihre gesamte Kindheit hinzog. Niemand redet, denn alle sind gebannt von ihrer Geschichte. Manchmal wird sogar gelacht, weil die 77-Jährige einen Witz macht. Kaum vorstellbar, wegen der Tatsache, dass sie so etwas Schreckliches durchgemacht hat. Aus ihrer Heimat vertrieben, von ihren Eltern getrennt und kaum wieder vereint, wurden ihr Vater und dann ihre Mutter vor ihren Augen erschossen. Als sie dies sagt, hat sie mit sich zu kämpfen und auch alle Zuhörer müssen sich zusammenreißen, bei dem Gedanken, die eigenen Eltern zu verlieren.
Die geborene Lembergerin und jetzt in Antwerpen Lebende ist in ihrem Element. Es fällt ihr schwer, sich kurz zu fassen. Immer mehr Details verraten die Grausamkeit und Traurigkeit ihrer Lebensgeschichte. Keiner hat so recht bemerkt, wie die Zeit vorangeschritten ist, obwohl es ein so tragisches Schicksal ist.
Aber sie hat es überlebt! Jedoch kann man das als glückliches Ende stehen lassen? Tatsache ist, dass sie zumindest auf uns einen fröhlichen und lebensfrohen Eindruck hinterlassen hat. Wir können uns also glücklich schätzen, dass sie uns all das noch überbringen konnte. Denn jetzt ist es unsere Aufgabe, dass sich so etwas nicht wiederholt.
Pauline Barth
AG Journalismus